Thursday, 30. June 2016
peacecamp 2016: Nach dem Trauma – auf der Suche nach einem neuen Leben

Vier Gruppen aus Konfliktregionen – jüdische und arabische Israelis, Schüler aus Ungarn und eine gemischte Gruppe aus Österreich – verbringen gemeinsam elf Tage in der Abgeschiedenheit des Ötschergebirges, um im Dialog gegenseitiges Verstehen, ein positives, der Realität zugewandtes Selbstbild und Strategien der Lebensbewältigung in ihrem jeweiligen, mitunter neuen Lebensumfeld zu entwickeln.

Die Gruppen bestehen aus 16- bis 18-jährigen Schülern; sie kommen aus Familien, in denen sie selbst oder ein naher Familienangehöriger Traumatisierung durch Terror, Krieg, Verfolgung, Flucht, Entwurzelung, Diskriminierung oder andere extreme Lebensbedingungen erfahren haben. Die Jugendlichen beider Gruppen aus Israel wachsen unter permanenter Bedrohung durch Krieg und Terror auf; die ungarischen Jugendlichen – zweite Generation nach dem Fall des Eisernen Vorhangs – sind mit einer Rückkehr zum Nationalismus und Formen der Diskriminierung konfrontiert. Diese Gruppe bringt „ungarische“ und Kinder aus Roma-Familien mit, die ihre jeweiligen Familien- und Lebenserfahrungen miteinander teilen werden. Die österreichische Delegation – eine um Schutzsuchende aus fünf verschiedenen Ländern (Syrien, Afghanistan, Somalia, Gambia und dem Kosovo) erweiterte Gruppe – wird ihren Jugendlichen Gelegenheit bieten aufzuzeigen, wie der euphemistisch verwendete Begriff „Migrationshintergrund“ auf unterschiedliche Stadien gelebten Traumas hinweist, der die Betroffenen vor gewaltige Hürden neuer Realitätsbewältigung stellt.

Von einer Gruppe von Experten – Künstlern, Pädagogen, Trauma-Pädagogen, Trauma-Therapeuten, Historikern, Lehrern – angeleitet, werden die Jugendlichen an Workshops teilnehmen, die folgende Themen in den Mittelpunkt stellen:
- Persönliche Verantwortung und möglicher Beitrag des Einzelnen zum „Frieden“/“Unfrieden“ in der eigenen Gesellschaft („4 questions concerning peace“ – siehe Anhang). Hierzu wird sich die Frage „Wie kann ich persönlich dazu beitragen, meine (Lebens-)Welt friedlicher zu machen?“ wie ein roter Faden durch das peacecamp ziehen.
- Persönliche Biografie („My family, my roots“)
- “Talks4Peace”: Hier stellen alle Gruppen für sie relevante sozio-politische Themen vor und suchen nach Strategien der Mitgestaltung ihrer sozialen Umwelt.
- Meine Kultur/Religion/Herkunft: Vier „culture evenings“, bei denen jede Gruppe in kreativ-lustvoller Weise Aspekte der eigenen Herkunft/ Religion/Kultur/Nation vorstellt.
- In der von einem Experten angeleiteten „Large Group“ wird es um die eigenen, bewussten, unbewussten, rationalen wie irrationalen Gefühle, um Vorurteile, Konflikte, und Bewältigungsversuche gehen.
- Unter der Anleitung von zwei Künstlern werden sich die Jugendlichen mit diesen Themen in kreativer Weise auseinandersetzen, um sie schließlich zu einem gemeinsamen, herzeigbaren Ergebnis zusammenzufassen und einem Publikum zu zeigen. („Show4peace“)
- Im Rahmen eines offiziellen Schlussakts werden alle Teilnehmenden (Jugendliche und Erwachsene) zu Botschaftern des Friedens ernannt: Ein Dokument („Ambassador of Peace“-Zertifikat) soll sie daran erinnern, dass „Frieden“ für jeden von ihnen Ziel und Mission sein kann.

peacecamp besteht aus drei Phasen,
- Vorbereitung im eigenen Land, unter Anleitung des jeweiligen Gruppenkoordinators.
Das diesjährige peacecamp beinhaltet eine besonders intensive gemeinsame Vorarbeit der beiden Gruppen aus Israel unter Anleitung ihrer beider Koordinatorinnen.
Des Weiteren hat die gemischte österreichische Gruppe, angeleitet von der Trauma-Pädagogin Caroline Koczan, im Vorfeld sehr intensiv an der Konsolidierung der „österreichischen“ und der „asylsuchenden“ Teilnehmer gearbeitet; in diesem Rahmen standen sie bereits als Gruppe gemeinsam auf der Bühne (peacecamp-Matinee am 6. Juni 2016 im Theater Odeon). Auch diese Gruppe wird nach dem peacecamp gemeinsam mit Frau Koczan weiterarbeiten.
- Elftägige Begegnung in Österreich, bei der die Abgeschiedenheit des Ortes und ein sehr strukturiertes Arbeitsprogramm (siehe „Schedule“) ein der Bearbeitung des psychosozialen Gefüges dienliches Setting bietet. Während der Begegnung stehen pädagogisch-therapeutische Formen der Aufarbeitung psychosozialer Belastungsfaktoren und die Suche nach Formen und Möglichkeiten der Anpassung an die oft radikal veränderte neue Realität im Vordergrund.
- Nachbereitung zur subjektiven wie objektivierbaren Evaluierung mittels Fragebögen, Erfahrungsberichten sowie eines begleitenden Forschungsprojekts durch einen externen Forscher. Fortsetzende Zusammenarbeit der jüdischen und arabischen Jugendlichen in Israel sowie der österreichischen Gruppe in Wien mit pädagogisch-therapeutischen Mitteln.

peacecamp 2016 ist das 14. peacecamp seiner Art.
Jedes peacecamp hat ein seinen psychosozial relevanten Themen entsprechendes Programm.

Für peacecamp 2016 ist eine zweite Begegnung aller Teilnehmer in Wien, Sommer 2017 angedacht.

Juni 2016
Mag. Evelyn Böhmer-Laufer
https://peacecamptexts.blogger.de/
http://2016.peacecamp.net/

(Anmerkung: Aus Gründen der Lesbarkeit haben wir auf die separate Verwendung weiblicher und männlicher Schreibformen verzichtet. Es sind natürlich immer beide Geschlechter gemeint und angesprochen.)

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